Hurra, wir öffnen!

Und wenn wir öffnen, dann marschieren wir doch gleich in die richtige Richtung!

Wir alle warten sehnsüchtig auf eine “neue Normalität”. Was vermisst jeder von uns derzeit am meisten? Das Kaffeehaus? Einen Kinobesuch? Die Oper? Teamsport? Oder gemeinsam Essen, Tanzen und das Leben feiern?

Nach einer Krise ist der Wandel immer leichter möglich als während einer Phase der kontinuierlichen Entwicklung. Wir müssen jetzt oder zumindest sehr bald die Chance nutzen, die neue Normalität aktiv zu gestalten. Und da geht es nicht nur um die weitere Optimierung unseres immensen Wohlstandes. Es geht jetzt darum, ein neues Fundament für die nächsten Generationen zu bauen! Ein nachhaltiges Fundament.

Entfaltung (Foto: Michael Friedmann)

Welche ist nun die Richtung, die wir einschlagen sollen? Gibt es die “richtige Richtung” überhaupt? Aus der konstruktivistischen Perspektive heraus wissen wir, dass es die Kategorien RICHTIG und FALSCH nicht gibt. Vielmehr entsprechen diese Kategorien bestimmten Weltbildern oder Prägungen. Sie entsprechen dem Gelernten oder Gewohnten und nicht dem Objektiven. Sie sind ganz einfach subjektiv.

Trotzdem: Wir alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann! Wir wissen, dass fast 8 Milliarden Menschen auf dieser Welt nicht so leben können, wie wir Europäer, die US Amerikaner oder die Japaner oder Australier. Wir wissen, dass wir seit gut einhundert Jahren auf Kosten der Natur leben, und zwar in einem Ausmaß, das schon lange nicht mehr reversibel ist. Wir alle wissen, dass der Klimaveränderung ein großer Verlust der Artenvielfalt folgen wird bzw. dieser auch schon eingetreten ist.

Klamath National Forest, Yreka, USA (Foto: Matt Howard)

Wir alle wissen es… Aber warum tun wir nichts?

Veränderung ist eine schwierige Sache und trotzdem leben wir in einer Welt, in der sich vieles um uns in großer Geschwindigkeit verändert — zumeist getrieben von Globalisierung und Digitalisierung. Ist es da nicht nur zu verständlich, dass wir uns ein Stückchen Stabilität, ein wenig Unveränderbarkeit erhalten wollen?

Mir kam es vor, als wären wir in den Jahren vor Corona wie von einem schwarzen Loch angezogen gewesen und beschleunigten hinein in eine Singularität aus Raum und Zeit, hinein in einen tiefen Schlund, in dem die Zeit still steht und die Masse unendlich wird. Und aus diesem Sog heraus schien es kein Entrinnen zu geben. Bis uns plötzlich ein winzig kleines Virus aus der Bahn geworfen und unsere Beschleunigung abrupt gestoppt hat. Bei all der Sorge und dem Leid und der Not und der Verständnis- und Hilflosigkeit können wir aber auch ein wenig dafür dankbar sein, dass wir nun fast ein Jahr innehalten mussten, wie es die Künstlerin Riya Sokol in ihrem Video so schön beschreibt.

In den letzten Monaten hat sich schon vieles verändert und vieles wird sich noch verändern. Auch ich habe im Jahr 2020 einen neuen Weg eingeschlagen und eine großartige Aufgabe als Head of Group Strategy, Innovation & Marketing bei Rosenbauer aufgegeben, um mich für den restlichen Teil meines (Arbeits-)Lebens zu 100% dem Thema Nachhaltigkeit zu widmen. “Wann, wenn nicht jetzt!”, dachte ich mir und habe das Institute for Clean Technology (ICT) gegründet.

Michael Friedmann (Foto: Wolfgang Reithofer)

Denn es geht darum, in den nächsten 10 Jahren die Weichen zu stellen für ein neues Wirtschaften, ein neues Produzieren, ein neues Konsumieren — und ich denke auch für ein neues Regieren. Die Staatengemeinschaft repräsentiert durch die UNO drängt schon seit Jahrzehnten, spätestens seit 2015 mit den SDGs auf die dringende Veränderung. Die Politik gibt auf EU-Ebene mit dem Green Deal die Rahmenbedingungen vor. Und das Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung legt klare Klimaziele fest: bis 2030 soll der österreichische Strommix nur mehr aus erneuerbaren Energiequellen gespeist werden und bis 2040 soll Österreich zur Gänze klimaneutral sein.

Die Rahmenbedingungen sind also gesetzt. Über die Finanzierung wird zwar noch diskutiert, aber zumindest auf der Förderseite werden bereits massive Mittel freigesetzt: 100 Milliarden EUR pro Jahr!

Und den politischen Entscheidungen werden legislative Umsetzungen folgen. Die CO2 Steuer, die es schon in einigen Staaten Europas wie z.B. Schweden, Frankreich, der Schweiz und seit 1.1.2021 auch in Deutschland gibt, soll ab 2022 auch in Österreich eingeführt werden. Man kann mit einem Startwert von ca. 20 EUR/t CO2 rechnen, der sich dann, wie in den anderen Staaten, sukzessive nach oben entwickeln wird. Man kann davon ausgehen, dass sich der Steuersatz bei ca. 100 EUR/t CO2 einpendeln wird. Die Abgasvorschriften bei PKWs mit Verbrennern werden so streng, dass die meisten großen Fahrzeughersteller ab Mitte dieses Jahrzehnts die Entwicklung von Verbrennungsmotoren einstellen möchten.

Aber was wir wirklich brauchen ist ein neues, gemeinsames Narrativ! Was wir brauchen ist eine geteilte Vorstellung von der Welt, in der wir leben möchten! Eine Welt, die auch nach uns und nach unseren Kindern lebenswert bleibt. Wir müssen gemeinsam in unseren Gedanken und Herzen eine Welt erschaffen, die es sich lohnt zu realisieren. Eine Welt, in der wir Menschen mit der Natur im Einklang leben. Erst dann werden wir die Energie und Kreativität und den Veränderungswillen aufbringen, neue nachhaltige Wege zu entdecken und zu entwickeln. Was wir brauchen ist Mut und unerschrockene Zukunftsfreude!

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